Zum Wochenstart begrüße ich Edith von Frau H.’s Nähwelt als Gast auf meinem Blog. Edith hat euch eine kleine bezaubernde und selbst illustrierte Weihnachtsgeschichte „Weihnachts(wahn)sinn“ mitgebracht. Ich finde es immer wieder bewundernswert zu sehen, welche einzigartigen Talente, neben den Nähhobby, in so manch‘ Näh-Bloggerin schlummern. Edith vielen lieben Dank für deinen süße Weihnachtsgeschichte. Nun lehnt euch zurück und und habt viel Spaß beim Weihnachtsmarktbesuch mit der kleinen Philomee.

Eure Katrin

Weihnachts(wahn)sinn

„Maus, kommst du nun?“ Philomees Vater stand schon angezogen an der Tür und wartete auf seine kleine Tochter. „Jaha, komme gleich!“ Schnell zog sie ihre Jacke an, warf sich den Schal um den Hals und stürzte die Treppe hinunter. Weihnachtsmarkt. Ein vielversprechendes Ausflugsziel und das wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.

Mädchen

Nachdem die beiden einen Parkplatz gefunden hatten, nahm der Vater sie an die Hand und los ging es in das Menschengetümmel. Es roch herrlich nach Mandeln, nach Crepes, nach gegrillten Bratwürstchen. Philomee sog alle Düfte geräuschvoll durch ihre Nase. Sie sah nicht viel, denn an allen Buden standen so viele Menschen, dass sie nur raten konnte, was es dort zu kaufen gab.

Im Grunde genommen sah sie sowieso nur Mäntelenden, Hosenbeine und beinah stolperte sie über die Leine eines kleinen Hündchens, der verschreckt in einer Ecke hockte. Die Hand ihres Vaters drückte sie ganz fest, damit sie nicht von ihm fortgerissen werden konnte. „Papa …!“ Sie zupfte mit der anderen Hand an seinem Ärmel. „Papa!“ Er hörte sie nicht, denn er hatte gerade einen Arbeitskollegen getroffen und unterhielt sich lebhaft. „Papa, ich möchte Karussell fahren!“ Statt auf seine Tochter zu achten, bahnten sich die drei ihren Weg durch die Menschenmassen. „Zwei Glühwein, bitte!“ hörte Philomee ihren Vater sagen. Ich trinke keinen Glühwein, dachte die Kleine trotzig.

„Lauf ja nicht weg, wir gehen gleich weiter!“ Ihr Vater hatte ihre Hand los gelassen, um den Glühwein besser trinken zu können. Da stand sie nun, die kleine Philomee und trat mit ihren roten Stiefeln auf der Stelle, denn sie bekam vom Herumstehen kalte Füße. Sie stupste ihren Vater, zog an seinem Mantel … aber er reagierte nicht.

In der Ferne hörte Philomee eine wunderschöne Melodie. Sie erkannte sie als das Weihnachtslied, das sie mit ihrer Mutter am Heiligenabend sang. Sie dachte nicht lange nach, ob oder ob sie nicht dorthin gehen sollte. Sie ging einfach. Am Glühweinstand war es sowieso nicht schön und ihr Vater schien sich auch nicht besonders für sie zu interessieren. Wieder drängelte sie sich durch die Leute, bis sie die Melodie ganz klar und deutlich hörte. Sie stand vor einem schönen alten Karussell. Endlich, dachte sie.

Karussell

Ihre Mutter hatte ihr vor ihrem Aufbruch noch eine Münze in die Jackentasche gesteckt. Philomee ging an die Kasse und kaufte sich eine Fahrkarte. Dann wartete sie, bis das Karussell hielt und setzte sich auf eines der bunten Pferde. Vor Aufregung wäre sie beinahe herunter gefallen, hielt sich aber noch rechtzeitig an der Mähne fest.
Und dann ging es los! Die Melodie setzte wieder ein und das Pferdchen hüpfte hoch und wieder herunter. Philomee war selig. So schön und endlich konnte sie auch sehen, was auf dem Weihnachtsmarkt herum so geschah. Überall standen Menschen, lachten, tranken, aßen … aber es war einfach zu voll. Sie konnte kaum Kinder entdecken, nur auf dem Karussell saßen noch einige.

Plötzlich wurde das Karussell immer schneller, sie griff in die Mähne ihres Pferdchens und hielt sich ganz doll fest. Auch höher schien es zu gehen. Philomee wunderte sich, sah sich um und war erschrocken. Die Menschen schienen so klein und sie betrachtete alles von weit oben.

„Philomee, hab keine Angst!“ hörte sie eine zarte Stimme. Vor ihr erschien ein kleiner rothaariger Engel.

Engel

„Wer bist du?“ „Ich bin der Engel der Wunscherfüllung. Ich darf dieses Jahr auf dem Weihnachtsmarkt eurer Stadt arbeiten. Heute habe ich mir dich ausgesucht, um zu erfahren, wie du dir diesen Markt wünschst!“ „Oh,“ Philomees Angst war wie weggeblasen „ich darf dir sagen, was ich mir wünsche?“ „Ja, das darfst du.“

„Ich möchte, dass der Weihnachtsmarkt für uns Kinder ist. Es soll hell sein, leuchten und die Leute dürfen nicht so drängeln und schieben!“ Der Engel schnipste mit seinen Fingern: „In etwa so?“ Philomee sah hinunter. Auf einem Platz stand der Weihnachtsmann, sprach mit den Kindern und verteilte kleine Päckchen. An den Buden hingen Lichterketten und sie konnte erkennen, dass es dort Holzspielzeug, Zuckerstangen, gebrannte Kastanien und andere Köstlichkeiten gab. Das kleine Hündchen von vorhin sprang fröhlich um die Kinder herum und schien mit ihnen zu tanzen. Es duftete wundervoll nach Gewürzen, nach Zimt, Äpfeln und Nüssen. Philomee war froh, all das beobachten zu können. Sie wünschte sich, dass das Karussell hielt und sie zu dem Weihnachtsmann und den anderen Kindern laufen konnte.

„Philomee!“ Sie hörte die Stimme ihres Vaters. „Was hast du dir dabei gedacht, einfach wegzulaufen?“ Philomee blinzelte und setzte sich gerade auf. Sie musste eingeschlafen sein. Ihr Vater sah sie böse an und nahm sie grob vom Karussellpferd herunter. War das wirklich nur ein Traum? Sie sah sich um und alles sah so aus, wie vorher. Menschen, Menschen, Menschen. Der Engel war auch fort.

Philomee wurde traurig und sie dachte, sie würde nie wieder auf einen Weihnachtsmarkt gehen. Aber dann erinnerte sie sich an den Engel und vielleicht würde er zu ihr kommen und sie durfte sich wieder etwas wünschen. Dieser Gedanke machte sie augenblicklich fröhlich und sie nahm sich vor, die ganze Geschichte ihrer Mutter zu erzählen.

Edith Handelsmann